A20: eine fatale Fehlplanung!

Dr. Heiner Massmann

Die Befürworter der A20 glauben trotz gravierender ökölogischer, ökonomischer und rechtlicher Bedenken anscheinend immer noch, sie habe „große Bedeutung … für den Norden und die Hinterlandanbindung der Häfen“ (O-Ton E. Ferlemann, 07.11.2018). Sie sei „bedeutsam“, weil sie die Seehäfen Wilhelmshaven, Bremerhaven, Bremen und Hamburg „besser verbinden“ könnte (siehe „Begründung der Dringlichkeitseinstufung“: BVWP 2030). Dadurch sollen diese u.a. ihre Wettbewerbsposition verbessern und dem wachsenden Konkurrenzdruck der Westhäfen Rotterdam (ROTT) und Antwerpen (ANTW)  besser begegnen können.

   

Dabei zeigt doch schon ein Blick auf die Straßenkarte, dass der Terminus  „Hinterlandanbindung“ ein Widerspruch in sich selbst ist. Jedem Betrachter wird sofort in evidenter Weise deutlich, dass die A20-Transitstrecke ca. 60 Km nördlich(!) von Hamburg parallel zur Küstenlinie in O-W-Richtung verläuft. Dass Politiker/innen dies den mündigen Bürger/innen als „Hinterlandanbindung der Häfen“ verkaufen wollen, kann eigentlich nur Kopfschütteln hervorrufen.  Muss also ein Spediteur z.B. Güter per LKW nach Süddeutschland transportieren, wäre die Benutzung dieser Autobahn sogar kontraproduktiv! Die Folgen wären nämlich: mehr Kilometer, mehr Verkehr, mehr Unfälle, mehr Treibstoffverbrauch, mehr Landschaftsverbrauch, mehr Emissionen, mehr Zeitverlust und letztlich höhere Kosten – und alles zu Lasten der Menschen, der Umwelt und der Wettbewerbsfähigkeit des Hafens! Eine vergleichbar schlechte Position ergibt sich u.a. auch für den JadeWeserPort (JWP) und die Häfen in Emden und Cuxhaven. Die A20: ein klassisches Eigentor!

  

Vorliegende Untersuchungs- und Forschungsergebnisse (z.B. Prof. Dr. Ordemann) kommen dann auch erwartungskonform zu dem Ergebnis, dass mit Blick auf die deutschen Häfen das Thema Autobahn im Allgemeinen und die A20 im Speziellen nur von marginaler Bedeutung zu sein scheint. Insgesamt können nur etwa vier (!) Prozent der Warenströme aus und zu den Häfen über die Küstenautobahn besser abgewickelt werden! Und für diese lächerlichen vier Prozent sollen Milliarden ausgegeben und die Umwelt in diesem skandalösen Ausmaß belastet werden???

 

Selbst die CDU-Mittelstandsvereinigung hat sich aufgrund dieser ernüchternden Erkenntnis mit einer realistischeren und bescheideneren Terminologie und Zielsetzung abgefunden: „Die A20 ist für das Elbe-Weser-Dreieck und seine wirtschaftliche Zukunft von entscheidender Bedeutung.“ Von überaus „wichtiger Hinterlandanbindung“ also kein Wort mehr!

 

Wieso es aber „ökologisch sehr sinnvoll“ sein soll, angesichts dieser parallel zur Küstenlinie verlaufenden Ost-West-Magistrale „deutlich schneller und kürzer“ in viele Ferienregionen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins zu kommen, „ohne durch das Nadelöhr Hamburg“ fahren zu müssen, bleibt wohl immer das Geheimnis eines Leserbriefschreibers (Tageblatt vom 28.05.2021). Kommen die meisten Feriengäste nicht aus NRW, BW und BY, also eher aus südlicheren Regionen? Auch dessen Aussage, die Benutzung der A20 reduziere „signifikant“(!) die CO2-Emissionen des LKW-Durchgangsverkehrs, fordert geradezu eine Überprüfung heraus!

 

Es ist sicherlich unstrittig, dass z.B. der Hamburger Hafen stetig Marktanteile an ROTT und ANTW abgibt, da beide Konkurrenten mittlerweile als kostengünstiger und effizienter gelten. Aber ein A20-Neubau – und auch eine (weitere) Elbe- und Weservertiefung (!) - erscheint der Fachwelt nicht als sinnvolle und anzustrebende Lösung, weil eine Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur sich für die deutschen Seehäfen extrem kontraproduktiv auswirkt. Große Umschlagmengen eines Hafens (also z.B. in ROTT, ANTW) entfalten nämlich deshalb eine positive Wirkung, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit für eine größere Anzahl von disponierbaren Rundläufen steigt und die Kosten gegenüber „Single-runs“ sinken. Begrenzt verschieben sich dadurch die Wettbewerbsräume zugunsten des Hafens mit dem jeweils höheren Umschlag (also ROTT und ANTW) gegenüber seinen benachbarten Konkurrenten (also JWP, HH, BHV).

 

Eine bessere Autobahnanbindung hilft also mehr den Westhäfen und ist für deutsche Häfen eher wettbewerbsschädlich! Angesichts der heute schon oft zu beobachtenden hohen Verkehrsdichte auf den Autobahnen wäre die Veränderung des „Modal Splits“ zugunsten von Bahn - und Binnenschiff (!) -  auch für die deutschen Seehäfen erstrebenswert(er). Selbst der Bundesrechnungshof hat den Kurs der Bundesregierung in der Bahnpolitik massiv kritisiert, weil dieser nicht dazu führen wird, Verkehre auf die Schiene zu verlagern und Trassenentgelte zu senken.

 

Fazit: Es hat sich gezeigt, dass die wirtschaftlichen Probleme der deutschen Seehäfen und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit den Westhäfen (ROTT, ANTW) zu einem erheblichen Teil hausgemacht sind! Um sie zu beheben, ist die A20 absolut ungeeignet. Damit ist ein entscheidender Grund für den Bau der A20, nämlich von großer Bedeutung für die Hinterlandanbindung der deutschen Häfen zu sein (O-Ton Ferlemann), nicht mehr gegeben. Warum brauchen wir sie dann???

 

 

Dr. Heiner Maßmann                                                                                   8. Juni 2021

Mitglied des Gemeinderats Wurster Nordseeküste

DIE LINKE.